Café Blaulicht – Kolumnen und Meinungen

Der Revisor über Wahlkampf und Geld

Posted in Marcus J. Oswald (Revisor) by cafeblaulicht on 13. September 2008

(Wien, im September 2008) Wer den laufenden Wahkampf näher betrachtet, kommt zum Schluss, dass in Österreich Sommerschlußverkauf ist. Wundern muss man sich auch über aktuelle Arbeitswut. Hatte das Parlament während der Europameisterschaft 2008 (Juni) komplett frei und folgten darauf die fast freien Urlaubsmonate Juli und August, wurden nun am Freitag 50 (!) Anträge gestellt, die eine finanzielle Besserstellung für acht Millionen Österreicher bringen sollen.

Da Intensivwahlkampf ist, will sich keine Parlamentspartei etwas nachsagen lassen. Jeder entwickelt Ideen, Geld zu verteilen. Vergessen wird, dass es in Österreich immer weniger Steuerzahler gibt. Die Zahl der Sozialhilfeabnehmer (Deutschland: „Hartz IV“) und damit die Zahl der Jahreseinkommen unter 12.000 Euro expoldiert. Viele zahlen überhaupt keinen Cent Steuer. Trotzdem soll aus dem Wenigen von den politischen Parlamentsparteien mit Midas-Händen immer mehr verteilt werden. Der neue Finanzminister ist zu beglückwünschen.

Geschenkkorb

Die Kanzlerpartei SPÖ macht zum Beispiel Wahlversprechen, die derzeit verhandelt werden und bis 24. September 2008 beschlossene Sache sein sollen. Sie will die Studiengebühren abschaffen, die Familienbeihlife pauschal für alle Kinder (nicht bloß ab 6. Lebensjahr) erhöhen, das Pflegegeld um 4-6 Prozent erhöhen, die Hacklerregelung bis 2013 verlängern (Pensionsantritt bei Männern mit 60, bei Frauen mit 55 bei 40 Beitragsjahren) und last not least – in einem Generalschlag Brot und Manner vom Himmel werfen, indem man die Mehrwertssteuer auf Lebensmittel „halbiert“.

Wahlversprechen wie in Lateinamerika.

Wirtschaftsforschungsinstitute errechneten, dass die Staatsgemeinschaft von 8 Millionen Bürgern diese Versprechen 1.8 Milliarden Euro Finanzbedarf kosten. Die Zahl schwankt geringfügig je nach Betrachtungsweise. Wenn man es auf Kopf umlegt, zahlt jeder Bürger 225 Euro in dieses „Entlastungspaket“ ein, um am Ende etwa durch die Mehrwertssteuersenkung bei Lebensmitteln „200 Euro mehr in der Tasche“ zu haben. Der Haken bei der „Mehrwertsteuersenkung“ ist, wie die „Wiener Zeitung“ (13. September 2008, S. 3) analysierte, dass die EU nur bei zwei Posten die Mehrwertssteuersenkung anerkennt und das in Österreich bereits bei Weinverkauf ab Hof (12%) und bei Mieten, Bücher, Kunstgegenstände (10%) der Fall ist. Ob der Generalschlag „Halbierung der Mehrwertssteuer“ rechtlich überhaupt möglich ist, ist unklar.

Ist Österreich Land der Armut?

Generell bleibt die Frage, mit welchen Maßstäben Politiker in den Wahlkampf ziehen. Klar ist, dass Geldgeschenke immer ziehen. Es beginnt beim Kugelschreiber und Feuerzeug und endet bei der „Mehrwertssteuer“. Wer Wohlstand verspricht, bekommt das Kreuz am Stimmzettel.

Das Thema „Teuerung“ (früher: „Teuro“) hat der Populist und „Showmaster der heimischen Politik“
(c/ Wolfgang Fellner), der nun wieder die Bühne betreten hat, beschlossen: Jörg Haider. Haider ist nach wie
vor ein Chamäleon, hinter dessen Gesicht man nicht blicken kann. Durch 35 Jahre politische Arbeit hat er
die Finessen im Griff, aber sein Denkansatz ist auch nicht richtig, da es sich nur ums Geld dreht.

Wahrheit sprechen

Das Manko des Politikers ist, dass er nicht die Wahrheit sagen kann. Er darf keine moralischen Vorgaben machen (Ausnahme lebt in Deutschland und heißt: Helmut Schmidt). Der Politiker muss sprechen, was das Volk hören will. Daher sagt kein Politiker offen heraus: Liebe Bürger, Ihr müsst sparen. Lebt bescheiden und genügsam! Nein, wir schaffen die Mineralölsteuer nicht ab, denn fahrt weniger Auto, wir brauchen die saubere Umwelt! Nein, wir halbieren die Mehrwertssteuer nicht, esst weniger Schnitzel, achtet auf Eure Gesundheit, Ihr seid fett!

Politische Parteien wurden zu Meinungsradars, die feststellen, was der Mensch denkt. In diese Richtung lenkt dann die Partei. Das hat fatalistische Züge, weil selbst in der Demokratie zulässig sein muss, Richtungen vorzugeben und Lenkungsdebatten zu führen.

Größter gemeinsamer Nenner

Das Breitengeschäft der Politik hat den Nachteil, dass die Meinungen so tief liegen, dass man sich
bücken muss, um Nachhaltiges zu finden. Aufrechte Lebensweise zu führen fällt manchen schwer.
Selbstverständlich ist es wichtig, dass der Wohlfahrtsstaat Netze anbietet. Gleichzeitig werden Dynastien von Sozialhilfeempfängern herangezüchtet – die Pfusch, Geheimprostitution und das Schwarzgeschäft betreiben. Selbstverständlich ist es wichtig, dass es Rezeptgebührenbefreiung bei Medikamenten gibt – tausende Drogensüchtige nutzen dieses System weidlich aus.

Ein Wahlkampf spiegelt immer nur Ausschnitte des Lebens wieder und blendet vieles aus. In der SPÖ gibt
es hunderte Vereine, die subventioniert werden, aber keine nennenswerte Arbeit leisten. In der ÖVP sitzen tausende Bauern auf ihren Erbhöfen und lassen sich ihr Leben von der EU finanzieren. Die „Teuerung“ für den Kleinen Mann zu bekämpfen, wird sehr teuer. Mit der Gießkanne „Wohlstand für Alle“ (c/ Ludwig Erhard) zu erzeugen, ohne diesen an Leistung zu koppeln, ist unvertretbar.

Wer fährt die SUVs, Mercedes und Audi?

Manche, wie der Wiener Wissenschaftsminister Johannes Hahn, lehnen die „Wachteleier-Debatte“ überhaupt ab. Für ihn sind große Themen zu lösen wie die Gesundheitsreform (83 % der Gesundheitsausgaben des Staates fließen in Spitäler), Verwaltungsrefom (ein Zuviel an teuren Beamten) und die Reform der Steuergesetze. Die „Teuerung“ ist schönes Schlagwort. Einen „Oscar“ für den, der sie erfunden hat. Doch die Teuerung kann jeder für sich selbst bekämpfen: Indem er spart. Es ist nicht zu viel verlangt.

Einen Euro spendet diese Webseite für den brillianten Gastkommentar von Christian Ortner in der „Wiener Zeitung“ (13. September 2008, S. 2), der das Thema als das abtut, was es ist: Eine Luftblase. Er schreibt unter dem Titel „Sind wir acht Millionen Sozialfälle?“:

„Ist Österreich wirklich ein von bitterster Armut gebeuteltes Land, dessen Bevölkerung nur durch das Abwerfen von Geldscheinen vor dem Hungertod gerettet werden kann und im Winter frieren muss, wenn nicht Tankwagen mit Gratisheizöl in die hiesigen Elendsgebiete vorstoßen? Sollte dies der Fall sein, drängt sich die Frage auf: Wenn die allgemeine Armut wirklich derart erdrückend ist – wem gehören dann die vielen Audis, Mercedes und BMW, die einander vor jedem Gemeindebau gegenseitig im Weg stehen? Wer sind all die geheimnisvollen Menschen, die tagtäglich unsere Autobahnen verstopfen? Und wer sitzt in all den Fliegern, die im Stundentakt nach Mallorca, Ibiza und Korfu abheben?“

Der Revisor (Ressort: Marcus J. Oswald)